Werbung kann ganz schön aufdringlich sein. Ob im Fernsehen, im Stream oder im Frühstücksradio: Manche Spots werden in jeder Werbeunterbrechung abgespielt. Doch warum eigentlich? Klar, wer einen Spot zu verschiedenen Zeiten bringt, erreicht mehr Zuhörer. Aber das erklärt noch nicht, weshalb die gleiche Botschaft oder der gleiche Jingle geradezu gebetsmühlenartig wiederholt wird.
Auf den ersten Blick scheint das sogar kontraproduktiv. Schließlich soll Marketing nicht nerven, sondern begeistern und überzeugen. Außerdem ist Sendezeit teuer. Ist es da nicht sinnvoller, auf wenige, gut platzierte Aussendungen zu setzen? Nicht unbedingt.
Attraktiver, sympathischer und glaubwürdiger durch Wiederholung: Der Mere-Exposure-Effekt
Der „Mere-Exposure-Effekt“ (dt. „Effekt der Darbietungshäufigkeit“) bewirkt, dass wir neutral bewertete Dinge und Personen umso positiver bewerten, je häufiger wir ihnen bereits ausgesetzt waren. Im weiteren Sinne gilt das auch für Botschaften und Aussagen. Die halten wir nämlich für umso glaubwürdiger, je öfter sie wiederholt werden. Lernforscher begründen das damit, dass unser Gehirn Inhalte bevorzugt, die ihm vertraut sind und die es leicht verarbeiten kann.
Der Mere-Exposure-Effekt wurde 1968 vom polnisch-amerikanischen Sozialpsychologen Robert Zajonc entdeckt. Der Effekt ist einer von mehreren ist einer von mehreren Wahrnehmungsfehlern (Bias), die systematisch unser Urteil verzerren.
Fun Fact: Findest du, dass du im Spiegel sympathischer aussiehst als auf Fotos? Auch dahinter steckt der Mere-Exposure-Effekt. Wir bevorzugen die spiegelverkehrte Version unseres Gesichts, weil wir sie im Alltag viel häufiger sehen und sie uns somit vertrauter ist als unser nicht gespiegeltes Antlitz.
Eine Studie von 2007 zeigt, wie stark der Mere-Exposure-Effekt unser Konsumentenverhalten beeinflussen kann.
Ein Forscherteam rund um Xiang Fang, Surendra Singh und Rohini Ahluwalia ließ Probanden einen Online-Artikel lesen, während am oberen Bildrand eine Reihe von Werbebannern eingeblendet wurde. Danach sollten die Probanden einige Fragen zum Online-Artikel beantworten und schließlich durften sie zwischen zwei Kameras wählen, von denen nur eine in den Werbeanzeigen abgebildet worden war. Wie sich herausstellte, bevorzugten die Versuchspersonen signifikant die Kamera, die sie in den Anzeigen gesehen hatten, und das umso mehr, je häufiger die Werbebanner mit der Kamera angezeigt worden waren. Dabei konnten sich die Probanden nicht bewusst an die Banneranzeigen mit der Kamera erinnern. Dies ist nur eine Studie unter vielen, die zeigen, wie wirkungsvoll Wiederholung unser Urteil beeinflussen kann.
Bedenkenswert: Andere Experimente belegen, dass es den Mere-Exposure-Effekt abschwächt, wenn den Probanden bewusst ist, dass sie einen bestimmten Inhalt bereits mehrfach wahrgenommen haben – wie im Fall der Radio-Hörer, die sich darüber ärgern, einen Spot immer und immer wieder zu hören. Im Extremfall droht sogar ein Reaktanzeffekt: Die Zuhörer fühlen sich durch die Werbung so bedrängt, dass sie das beworbene Produkt aus Protest meiden. Andererseits sorgen penetrante Wiederholungen dafür, dass sich ein Slogan unauslöschbar einprägt, man denke nur an Klassiker wie „… ich bin doch nicht blöd.“ Es gilt also, verschiedene Effekte gegeneinander abzuwägen, bevor man sich auf eine Marketingstrategie festlegt.
Lässt der Mere-Exposure-Effekt alle Dinge in einem freundlicheren Licht erscheinen?
Keineswegs. Das geschieht nur, wenn wir etwas anfänglich als neutral bewertet haben. Wenn wir etwas von Anfang an nicht mögen, sorgt Wiederholung sogar dafür, dass wir es danach noch weniger mögen. Wenn also dein Lieblingsmensch deine Lieblingsmusik ablehnt, hilft es leider nicht, sie ihm immer wieder vorzuspielen.
So nutzt du den Mere-Exposure-Effekt für dein Marketing
- Leg dich fest: Entscheide dich für wenige prägnante Markenbotschaften und dann bleib dabei. Denk daran: Eine Message wirkt umso glaubwürdiger, je öfter du sie wiederholst. Variiere deine Botschaft nur mit gutem Grund, beispielsweise, um dein Marketing auf eine Zielgruppe zuzuschneiden.
- Investiere in ein professionelles Corporate Design. Wiederkehrende Gestaltungselemente machen deine Marke nicht nur wiedererkennbar, dank Mere-Exposure-Effekt lassen sie diese auch sympathischer erscheinen.
- Konsumenten und potenzielle Bewerber entscheiden sich bevorzugt für Unternehmen, deren Logo sie schon häufig wahrgenommen haben. Darum bring dein Logo unter die Leute: Zeig es auf Plakaten, Flyern und in Printanzeigen, in den sozialen Netzwerken wie auch auf Werbebannern. Sorge dafür, dass es auf jeder Seite deiner Website zu sehen ist. Das Gleiche gilt für deinen Unternehmensnamen.
- Wenn du eine Website gestaltest, achte darauf, dass du den gleichen Call to Action (Handlungsanweisung) mehr als einmal pro Seite verwendest, denn durch den Mere-Exposure-Effekt werden Links und Buttons nachweislich öfter geklickt, wenn sie mehrfach mit dem gleichen Wording auf derselben Seite erscheinen.
- Der Mere-Exposure-Effekt wirkt besonders stark, wenn Reize und Botschaften knapp unterhalb der Bewusstseinsschwelle wahrgenommen werden. Für Werbebanner zeigen Studien, dass eine Darbietung von weniger als einer Sekunde zu den stärksten Effekten führt.