Jahrelang hast du nicht daran gedacht, aber plötzlich gelüstet es dich nach diesem bestimmten Stieleis mit Himbeergeschmack, das du in deiner Kindheit so gerne mochtest. Wenig später gehst du in den Supermarkt – und die Verkäuferin ist gerade dabei, Aufsteller aufzubauen, auf denen steht: Endlich wieder da: Flitzer, das Kult-Himbeereis aus den 90ern.
Ein komischer Zufall! Oder entwickelst du gar hellseherische Fähigkeiten? Vermutlich nicht. Wahrscheinlicher ist, dass gezielte Marketingmaßnahmen, beispielsweise Product Placement, dafür gesorgt haben, dass du dich wie zufällig an dieses Eis erinnerst. Die Maßnahmen selbst waren so subtil, dass sie kaum in dein Bewusstsein gedrungen sind. Sie haben aber dich und tausende andere Verbraucher für die Wiedereinführung der Retro-Eissorte sensibilisiert. Das funktioniert über den sogenannten „Priming-Effekt“.
Was ist Priming?
In der Neuropsychologie bezeichnet „Priming“ (dt. etwa „Bahnung“, „Vorbereiten“) einen Vorgang, bei dem ein sogenannter Hinweisreiz oder Cue, der bewirkt, dass das Gehirn auf einen nachfolgenden Reiz (den sogenannten Zielreiz) anders reagiert. So beeinflusst das Priming die Wahrnehmung und das Verhalten einer Person.
Es gibt verschiedene Arten von Priming
- Eine davon ist das visuelle Priming, bei dem durch visuelle Reize wie Bilder oder Farben bestimmte Assoziationen erzeugt werden – beispielsweise dann, wenn das Bild des Himbeereises Kindheitserinnerungen wachruft.
- Natürlich funktioniert Priming auch über unsere anderen Sinneskanäle, beispielsweise olfaktorisch (über unseren Geruchssinn): So führt etwa Zitronengeruch dazu, dass wir ehrlicher sind. Beim akustischen Priming sind es entsprechend Geräusche, Töne oder Musik, die bestimmte Assoziationen und Verhaltensweisen hervorrufen: Einer Studie zufolge stieg die Nachfrage nach französischen Weinen um 330 %, wenn im Weingeschäft französische Hintergrundmusik lief.
- Emotionales oder affektives Priming besteht darin, dass ein Reiz oder Ereignis Menschen in einen bestimmten Gefühlszustand versetzt, der daraufhin sein Verhalten beeinflusst. Stell dir beispielsweise vor, du kommst gereizt aus einem Meeting. Kurz darauf reagierst du sehr ungeduldig auf eine höfliche Bitte. In diesem Fall hat dich das Meeting emotional geprimt, sodass du dich ungewöhnlich aggressiv verhältst.
- Beim sprachlichen oder auch semantischen Priming hingegen beeinflussen Wörter oder Wortfelder das Verhalten der Zielperson, indem sie bestimmte Assoziationen hervorrufen.
- Medien-Priming bezieht sich auf Effekte in den Massenmedien, bei denen vorangegangene Informationen beeinflussen, wie wir neue Informationen und Botschaften bewerten. Medien-Priming sollte nicht mit dem verwandten Begriff des Framings verwechselt werden.
- Eine weitere Form ist das Response Priming. Es kombiniert eine schnelle Abfolge suggestiver Reize, auf die der Empfänger schnell reagieren muss. Der Zeitdruck dient dazu, die bewusste Kontrolle des Empfängers zu unterlaufen, was ihn besonders empfänglich für die Suggestionskraft der Reize macht. Diese Art des Primings findet oft in Vertriebsgesprächen statt. Getimte Fragebögen und Internettests eignen sich ebenfalls gut, um einen Response-Priming-Effekt hervorzurufen.
Priming im Marketing
Priming ist ein neuropsychologisches Phänomen, das sich in vielen Bereichen zeigt. Nicht jeder Priming-Effekt ist die Reaktion auf eine zielgerichtete Manipulation. Aber Priming-Effekte werden gerne im Marketing eingesetzt, denn sie bieten vielfache Möglichkeiten, die Markenwahrnehmung und das Kaufverhalten zu beeinflussen.
- Zum Beispiel kannst du visuelles Priming einsetzen, um die allgemeine Wahrnehmung einer Marke zu formen. Das funktioniert, indem du durch die Auswahl bestimmter Formen und Farben oder einer passenden Schriftart gezielt die Assoziationen hervorrufst, die die Werte deiner Marke betonen. Zum Beispiel kann Gold Luxus, Erfolg und Reichtum signalisieren.
- Du kannst nahezu jede Priming-Art für das Marketing verwenden. Besonders wirksam sind aber Kampagnen, die mehrere Priming-Arten kombinieren, denn sie führen dazu, dass die Hinweisreize noch tiefer und zusammenhängender verarbeitet werden und sich entsprechend stärker einprägen.
- Beispielsweise könnte der Werbefilm für ein neues Parfüm im Wind wogende Lavendelfelder zeigen. Dann richtet sich die Kamera auf ein verliebtes Paar, das Hand in Hand an einem Traumstrand entlangschlendert, während im Hintergrund romantische Musik spielt. Diese Bilder lösen im Betrachter eine Sehnsucht nach Duft, Frische und romantischer Zweisamkeit aus und stimmen ihn ganz auf den Moment ein, in dem schließlich das Parfüm gezeigt wird wie die Verkörperung all dieser Wunschbilder.
Mit diesen drei Tipps kannst du den Priming-Effekt noch besser für deine Kampagnen nutzen
- Das Timing ist entscheidend, denn der Priming-Effekt verblasst mit der Zeit. Denke nur an unser Beispiel vom Anfang: Wenn das Priming sehr frühzeitig stattfindet, ist deine Lust auf das Himbeereis bis zur Markteinführung längst verflogen.
- Der Priming-Effekt wirkt stärker und hält länger an, wenn du den Hinweisreiz mehrfach setzt.
- Wenn du eine Serie von Anzeigen oder Clips planst, kann dir dein Wissen um die Priming-Effekte helfen, denn die Reihenfolge ist nicht beliebig: Deine Kampagne wirkt am effektivsten wenn die ersten Clips oder Anzeigen die Empfänger für die darauffolgenden primen.
Fazit
Priming ist ein effektives Werkzeug, um die Aufmerksamkeit der Konsumenten zu gewinnen, positive Assoziationen hervorzurufen und letztendlich den Erfolg von Marketingkampagnen zu steigern.
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